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Entlassfeier der Brückenklasse





Entlassfeier der Brückenklasse

 

„Das ist der Hammer, was ihr hier geleistet habt.“ Dieses Lob von Schulverbandsvorsitzendem Christian Beierlein sollte nicht das einzige bleiben, das die ukrainischen Schüler der Brückenklasse an der Mittelschule Absberg-Haundorf zum Abschied hörten. Viele Emotionen kamen bei der kleinen Entlassfeier hoch – und das auf allen Seiten.

Und so flossen einige Tränen der Freude und der Wehmut, dazu kommen die Gedanken an die Heimat, den Krieg und das Heimweh nach der Familie zuhause. All das war und ist für die jungen Leute, die im September in der Brückenklasse starteten, immer präsent. Die meisten von ihnen waren bereits seit dem Frühjahr an der Schule und lernten in den sogenannten Willkommensgruppen die deutsche Sprache. Zwölf von den insgesamt rund 60 ukrainischen Jungen und Mädchen aller Altersgruppen bildeten schließlich die Brückenklasse, mit dem Ziel vor Augen, am Ende den Quali mit Deutsch als Zweitsprache zu schaffen. Ein hochgestecktes Ziel, das tatsächlich vier von ihnen erreicht haben.

Neuland war die Brückenklasse aber nicht nur für die Schüler, sondern für das gesamte Kollegium erinnerte sich Rektorin Kerstin Seitz-Knechtlein. Woher das Personal dafür nehmen? Wie die sprachlichen Hürden meistern? Der Zufall spielte ihr in die Karten: Die ukrainische Lehrerin Iryna Khlibenko wohnt seit der Flucht aus der Ukraine in Absberg, spricht Deutsch und unterrichtete bereits in den Willkommensgruppen. Sie übernahm den Englischunterricht, während Nancy Könnecke-Sprügel, ebenfalls eine bewährte Willkommenskraft, Deutsch lehrte. Für Mathematik hatte die Schulleiterin ein weiteres Ass im Ärmel: Ihr Vater Hans Seitz, Schulamtsdirektor a.D. ließ sich nicht lange bitten, aus der Pension zurück ins Klassenzimmer zu kommen. „Das war für mich ,back to the roots`“, erzählt der 71-Jährige, der mit Leib und Seele „einfacher“ Lehrer war und sich durchaus fit genug fühlte, die neue Herausforderung anzunehmen. „Das hat mich schon gereizt, das auszuprobieren. Außerdem wollte ich gerne den ukrainischen Kindern und nicht zuletzt meiner Tochter helfen“, blickt Hans Seitz zurück und weiß aus eigener Erfahrung als langjähriger Rektor der Stephani-Grundschule Gunzenhausen genau, wovon er spricht: „In dieser Position muss man sich oft selber helfen!“

Sein großer Erfahrungsschatz und seine Empathie mit den Jugendlichen waren es denn auch, die ihm in manch ungewohnter Situation halfen. „Schon allein das Unterrichtsgespräch war ganz anders. Und bei Textaufgaben beispielsweise musste immer erst der sprachliche Auftrag erklärt werden.“ Ein Schüler, der schnell tolle Fortschritte in Deutsch machte, wurde von ihm kurzerhand zum Übersetzer umfunktioniert. Bereut habe er seinen Wiedereinstieg nicht, im Gegenteil: „Das tut mir gut, und ich komme noch an! Ich wurde nicht als Opa betrachtet“, fügt er scherzend hinzu.

Als „eine gute, aber auch anstrengende Zeit“ bezeichnen die Schüler selbst das vergangene Schuljahr, zumal die meisten von ihnen nachmittags zusätzlich am ukrainischen Online-Unterricht teilnahmen. Die deutsche Sprache zu lernen, fiel ihnen nicht leicht, aber „wir hatten viele gute Lehrer und Lehrerinnen“, betont Daryna Atroschenkova, die ihren Quali mit einem Notendurchschnitt von 1,8 meisterte und damit Klassenbeste war. „Ich habe viele Stunden gelernt und hatte für jeden Tag einen Plan.“ Doch gute Noten sind nicht alles, was Schule ausmacht. Mit den Freundschaften zu deutschen Kindern habe es nicht so gut geklappt, bedauert sie und spricht damit einen Nachteil der Brückenklasse an, den auch Rektorin Kerstin Seitz-Knechtlein erkannt hat. „Die Schüler bleiben da sehr unter sich, sprechen in ihrer Sprache und pflegen kaum Kontakte zu den anderen. Zusammen mit Daryna hofft sie darauf, dass sich das an der Wirtschaftsschule ändert. Dort werden sie und ihre Mitschüler Emilia Abasova, Dmytro Kasatkin und Katerina Zhelnovach den zweizügigen Zweig besuchen und die Mittlere Reife anstreben.

Die restlichen Schüler der Brückenklasse wechseln – soweit sie im August 16 Jahre alt sind – an die Berufsschule in Gunzenhausen. Die jüngeren bleiben in Gräfensteinberg, wo es wieder eine Brückenklasse geben wird.

Doch zunächst einmal wurde der erfolgreiche Abschluss mit viel Liebe fürs Detail gefeiert: Gelb-blaue Cocktails wurden zur Begrüßung in der Aula gereicht, Eltern und Schüler hatten ein stattliches Buffet aufgebaut, und alle hatten sich fein herausgeputzt, um die Leistungen der jungen Leute gebührend zu würdigen.

Nancy Könnecke-Sprügel ließ in sehr persönlichen Worten das Jahr Revue passieren und freute sich mit den Jugendlichen über den erfolgreichen Abschluss: „Ihr habt es geschafft, und ich bin sehr stolz auf euch.“ Allergrößten Respekt zollten ihnen außerdem Schulverbandsvorsitzender Christian Beierlein und Michael Hackenberg von der Sparkasse Gunzenhausen, der für die Klassenbeste außerdem eine Auszeichnung dabeihatte. Mit Wehmut aber auch Stolz verabschiedete die Schulleiterin ihre erste Brückenklasse und bot den Schülern weiterhin ihre Unterstützung an: „Ihr dürft immer zu uns kommen, wir helfen euch!“ Diesen familiären Geist, der an der Mittelschule herrscht, kam auch bei den Kindern und ihren Eltern an. Stellvertretend für die Klasse bedankte sich Dmytro Kasatkin für alle Hilfe und Motivation, und für die Eltern ergriff Lilia Abasova das Wort: „Die Kinder sind hier von Liebe und Verständnis umgeben. Sie haben sie inspiriert und ihnen Flügel verliehen.“                                                                                                                TINA ELLINGER

 

Fotos: Tina Ellinger